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07.05.2020 | Produkte

Zeit für die Immobilienfinanzierung von der Stange

Potenzielle Verkäufer wissen um ihre gute Verhandlungsposition. Das macht sich nicht nur bei den Preisen bemerkbar. Auch Geschwindigkeit ist Trumpf. Viele Verkäufer wollen nicht mehr lange feilschen und verbindliche Zusagen abwarten. Vor allem Finanzierungsvorbehalte werden kaum mehr akzeptiert. Im Vorteil ist deshalb, wer als Käufer zumindest zum Zeitpunkt der Transaktion vollständig mit Eigenkapital investiert und über ausreichend Liquidität verfügt, den Kaufpreis sofort zu überweisen.

Doch 100 Prozent Eigenkapital ist nicht immer realisierbar oder manchmal schlicht nicht opportun, denn der optimale Einsatz von Fremd- und Hybridkapital leistet gerade angesichts niedriger Zinsen und Renditen einen entscheidenden Beitrag zum langfristigen Erfolg eines Investments. Die Schnelligkeit und Verbindlichkeit der Kapitalbeschaffung können in solchen Fällen deshalb wichtige Faktoren dafür sein, ob sich ein Käufer im Bieterwettbewerb durchsetzt und letztlich eine Transaktion zustande kommt oder nicht.

Allerdings gestaltet sich die Strukturierung von Fremdkapital gerade bei komplexen gewerblichen Immobilientransaktionen oftmals langwierig und aufwendig. Die Gründe liegen auf der Hand: Jedes Objekt und jede Transaktionsstruktur sind individuell – und erfordern mithin individuell gestaltete Finanzierungsstrukturen. Zudem will sich der Investor die bestmöglichen Terms & Conditions sichern, und dafür ist der intensive Wettbewerb unter den Banken sowie weiteren Fremdkapitalgebern der beste Garant.

Um diesen zu nutzen, bedarf es einer gut vorbereiteten Finanzierungsanfrage bei einer Vielzahl von infrage kommenden Fremdkapitalquellen. Auch Bankentöchter mit Bridging-Privileg orientieren sich bei der Fremdkapitalbeschaffung am Angebot des Gesamtmarkts. Doch das kostet Zeit und erhöht die Komplexität des Transaktionsvorhabens – und kann am Ende den Erfolg der Transaktion gefährden, wenn ein anderer Bieter schneller ist.

Geschwindigkeit ist Trumpf, Finanzierungsvorbehalte gefährden Transaktionen

„Sorgsame“ Geschwindigkeit ist also Trumpf – auch bei der Fremdkapitalbeschaffung. Hierbei die Prozesse zu optimieren und zu standardisieren bis hin zu einer teilweisen Automatisierung würde Investoren deshalb einen Vorteil im Bieterprozess verschaffen. Die Digitalisierung eröffnet dabei neue Möglichkeiten, die in der Immobilienwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen bislang nur sehr zurückhaltend genutzt werden. Im Retailbanking etwa sind digitale Standardprozesse bei der Kreditvergabe nicht mehr wegzudenken.
Wer eine Finanzierung für die neue Einbauküche oder eine Ratenzahlung für die neue Waschmaschine vereinbart, bekommt in der Regel keine Kreditkonditionen angeboten, die ein Bankmitarbeiter aus Fleisch und Blut individuell erstellt hat, sondern ein nach vorgegebenen Modellen von Algorithmen kalkuliertes Standardangebot – sei es von einer komplexen Banking-Software oder von einer App auf seinem Smartphone. Davon ist die Immobilienfinanzierung verständlicherweise noch meilenweit entfernt; die Komplexität ist höher und die Klumpenrisiken sind größer. Dennoch eröffnen digitalisierte Standardprozesse auch hierbei oftmals unterschätzte Möglichkeiten.

„Sorgsame“ Geschwindigkeit ist also Trumpf – auch bei der Fremdkapitalbeschaffung. Hierbei die Prozesse zu optimieren und zu standardisieren bis hin zu einer teilweisen Automatisierung würde Investoren deshalb einen Vorteil im Bieterprozess verschaffen.


Barkha Mehmedagic

Denn bei aller Individualität gibt es durchaus auch typische Finanzierungssituationen eines Asset Managers, beispielsweise die Finanzierung einer Core-Immobilie in einer A-Lage mit stabilen Cashflows und einem Loan-to-Value (LTV) von 50 bis 60 Prozent. Für solche Szenarien sind durchaus unterschiedliche Standardangebote „von der Stange“ denkbar, die dann im Baukastenprinzip miteinander kombiniert werden könnten.

Bei einigen Anbietern sind hier Ansätze zu sehen, doch das sind eher Ausnahmen. Dabei sind die Backoffice-Prozesse bei den Banken auch regulatorisch bedingt relativ standardisiert und eröffnen Spielräume, die sie im Privatkundengeschäft längst nutzen, aber eben noch nicht im gewerblichen Immobilienfinanzierungsgeschäft.

Für eine größere Standardisierung ist eine bessere Vernetzung nötig

Um eine teilweise Standardisierung der Immobilienkreditvergabe zu erreichen, müssen sich Banken bzw. alternative Kreditgeber, Asset Manager und ihre jeweiligen Dienstleister sehr viel enger und digitaler vernetzten als bisher, und zwar über die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Finanzierungszyklus hinweg. Zudem müssten die Prozesse sowohl bei den Asset Managern als auch bei den Kreditinstituten sehr viel stärker vereinheitlicht werden. Zum Zeitpunkt der Transaktionsumsetzung muss die optimal durchverhandelte Finanzierung abrufbereit sein, das ist die große Herausforderung.

Doch so langsam wäre es an der Zeit für ein Näherrücken von Asset Managern und Fremdkapitalgebern, unter Anwendung smarter digitaler Lösungen zur Vereinfachung und Beschleunigung der Kreditvergabe. In anderen Teilbereichen der Finanzbranche – etwa im Handel mit liquiden Assetklassen – war die Standardisierung und Digitalisierung längst zu beobachten. Die Immobilienfinanzierung wird da keine Ausnahme machen: Die Zeiten für komplett manuelle Prozesse werden auch hier irgendwann vorbei sein.

Der für einen Wandel notwendige Veränderungsdruck ist durchaus vorhanden: Die Niedrigzinsphase setzt Banken zunehmend unter Margendruck. Standardisierungen erlauben Skaleneffekte und damit sinkende Kosten. Gleichzeitig erhöht auch der wachsende Wettbewerb aus zwei Richtungen den Druck auf die Margen: Der Markt wird erstens zunehmend paneuropäisch, Banken aus dem europäischen Ausland haben Deutschland als attraktiven Kreditmarkt identifiziert, zumal in Relation zu den Risiken.

Zweitens drängen mehr und mehr sowie immer professionellere bankfremde Fremd- und Mezzanine-Kapitalgeber wie Kreditfonds, Versicherungen oder alternative Kreditgeber auf den deutschen Finanzierungsmarkt. Letztere bieten im Retailbanking bereits zahlreiche innovative und schlanke Finanzierungsplattformen an – warum nicht auch bald in der Immobilienfinanzierung? Nicht zuletzt stellen auch Investoren heutzutage sehr viel höhere Ansprüche an Transparenz und Abwicklungskomfort. Beides lässt sich mit digitalen und standardisierten Prozessen sehr viel einfacher umsetzen.

Zwei Szenarien für die Standardfinanzierung der Zukunft

Für die Zukunft sind deshalb zwei Szenarien denkbar: Entweder, die klassische Kreditwirtschaft entwickelt gemeinsam mit der Immobilienbranche standardisierte Prozesse und Plattformen zur Immobilienfinanzierung. Oder es werden sich externe, eigentlich branchenfremde Digitalplattformen durchsetzen und die Immobilienfinanzierung gründlich umkrempeln – genauso wie Digitalanbieter zusehends den etablierten Filialbanken Retailkunden abjagen, von anderen Beispielen wie der Film- oder Musikindustrie ganz zu schweigen. Potenzielle Angreifer-Plattformen gibt es bereits; es ist eine Frage der Zeit, bis sie ausgereift sind und Marktanteile gewinnen. Crowdinvesting-Plattformen machen im Privatkundensegment bereits seit Jahren erfolgreich vor, wie es geht.

Neutrale Plattformen und Prozesse können zudem mit einem strategischen Vorteil punkten: Sie sind nicht auf klassisches Eigenkapital aus der Hand eines einzelnen Anbieters beschränkt, sondern können theoretisch sämtliche Kapitalarten und Kapitalgeber integrieren, vorausgesetzt, es sind standardisierte und transparente Schnittstellen zugänglich. Davon könnten auch die Kapitalgeber selbst profitieren, da sie ihr Finanzierungsangebot ausweiten und dann externalisieren können, gerade wenn sie LTV- oder Limit-Beschränkungen unterliegen.

Klar ist, dass es sich dabei immer nur um ein zusätzliches Angebot handeln wird. Maßgeschneiderte Lösungen werden in einem so komplexen Geschäft wie der Immobilienfinanzierung stets den Löwenanteil abdecken, zumal es um wesentlich größere Summen geht als etwa im Konsumentenkreditgeschäft.

Fazit

Je größer und komplexer die Transaktion und je spezifischer die Risikoprofile, desto weniger kommen Standardlösungen infrage. Aber die können und werden ihren Platz einnehmen, und sei es nur in ergänzender Form. Entweder gelingt es den etablierten Marktteilnehmern, entsprechende Strukturen und Angebote selbst zu schaffen – oder sie werden von neuen Akteuren überholt werden.

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