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Das „Green Building“ ist im gewerblichen Neubau Standard. Nun stellt sich immer drängender die Frage nach dem nachhaltigen Betrieb einer Bestandsimmobilie – und damit nach der Verantwortung des Mieters. Ihn mit „Green Leases”, also „grünen Mietverträgen”, vermeintlich in die Pflicht zu nehmen, ist aber nicht die richtige Antwort, findet Jens Böhnlein, Global Head of Asset Management and Sustainability bei Commerz Real.
Eigentlich klingt es einleuchtend: Die modernste Heizungsanlage und die beste Fassadendämmung nützen wenig, wenn der Mieter bei sperrangelweit geöffnetem Fenster die Heizung voll aufdreht. Ein nachhaltiger Gesamtbetrieb ist kaum möglich, wenn überwiegend Strom aus fossilen Energiequellen verbraucht wird. Und das Abfallmanagement bringt nichts, wenn der Müll nicht getrennt wird. Das zeigt: Die Ziele des Mieters müssen die gleichen wie die des Vermieters sein.
Doch wie erreicht man das? Eine in der Immobilienbranche immer häufiger genannte Antwort lautet „Green Leases“. Hinter diesen „grünen Mietverträgen” verbirgt sich der Ansatz, die Mieter bereits im Mietvertrag zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten – und Verstöße zu sanktionieren. Doch meist sind die Klauseln zahnlos, da die Verpflichtungen eben nicht mit finanziellen Maßnahmen einhergehen und das Wohlverhalten des Mieters derzeit maximal über reduzierte Nebenkosten belohnt wird.
Und auch der Gesetzgeber macht es nicht einfacher, denn harte Eingriffe in die Sphäre des Mieters sind in Teilen gar nicht zulässig. Daher laden „Green Leases“ die Verantwortung an der falschen Stelle – nämlich bei den Mietern – ab. Zudem sind sie oft auch nicht konkret formuliert und bestenfalls eine beiderseitige Absichtserklärung.
Beim nachhaltigen Gebäudebetrieb kommt es also noch immer hauptsächlich auf die Vermieter beziehungsweise die Asset-Manager an. Sie müssen das Gebäude auf einem möglichst hohen Energieeffizienzstandard halten, die Technik zur Optimierung mit den Mietern zusammen entwickeln und einsatzfähig machen. Sie müssen bei der Beauftragung von Dienstleistern, vor allem beim Property- und Facility-Management, auf die Einhaltung von Standards achten, Verträge entsprechend ausgestalten und so die Grundlage für einen optimalen und wirtschaftlichen Betrieb der Immobilie legen.
Doch ein Optimum in Sachen Nachhaltigkeit ist ohne Mitwirkung des Mieters nicht erreichbar. Anstatt diesen vertraglich zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, wäre es meines Erachtens viel zielführender, ihn positiv und ohne monetären Druck zu motivieren. Das gelingt vor allem mit der Transparenz über die wesentlichen Daten der Immobilie und somit dem Rückschluss auf die Klimabilanz.
Wie wäre es, deshalb die Möglichkeiten der Digitalisierung viel stärker zu nutzen und den Mieter durch ein attraktives Frontend dazu zu bewegen, freiwillig Verbrauchs- und Nutzungsdaten zur Verfügung zu stellen? Im Gegenzug kann er in einer App verfolgen, wie sein Verhalten die ESG-Konformität seiner Räumlichkeiten beeinflusst. Eine Optimierung des Gebäudebetriebs anhand von Sensorik oder in Zukunft sogar künstlicher Intelligenz wiederum kann nicht nur die Energie- und Kosteneffizienz, sondern auch den Komfort erhöhen.
Nach unserer Erfahrung ziehen Mieter und Vermieter beim nachhaltigen Gebäudebetrieb in den meisten Fällen an einem Strang. Vielen Nutzern sind Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Geschäftsräumen ebenso wichtig wie den Investoren. Nicht selten sind sie es, die von sich aus auf die Einhaltung von Standards drängen. Eine auf Vertrauen und Transparenz basierende Geschäftsbeziehung ist zudem die beste Voraussetzung für einen freiwilligen Austausch ESG-relevanter Daten. Selbstverständlich kann man das in gegenseitigem Einvernehmen auch vertraglich fixieren. Aber wer glaubt, er könne seine Mieter zu ungewolltem Verhalten zwingen, liegt falsch.
Artikel erschienen in: Handelsblatt Inside Real Estate (26.8.2022)