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Erneuerbare Energien, das waren – von Wasserkraft einmal abgesehen – über Jahrzehnte mehr oder weniger Exoten in der Stromversorgung. Wer noch in den frühen 2000er-Jahren im Zuge der Strommarktliberalisierung als Privatverbraucher in Deutschland einen Ökostromtarif abschloss, tat das sehr bewusst und musste dafür auch deutlich tiefer in die Tasche greifen. Kohle und Atomkraft waren die tragenden Säulen unserer Stromversorgung.
Die Initialzündung war vor mehr als 20 Jahren das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seiner Einspeisevergütung, das für einen ersten Boom im Neubau vor allem von Onshore-Windenergie sorgte, freilich auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Als Investment oder gar als eigene Assetklasse für institutionelle Investoren waren Erneuerbare ebenfalls noch lange Zeit eine Nische. Das änderte sich mit zunehmender Professionalisierung des Sektors, wobei auch die jahrelange Niedrigzinsphase dazu beitrug, dass sich Investoren zunehmend diesem Sektor zuwandten. Trotzdem hinkte der Ausbau in Europa dem wachsenden Bedarf lange Zeit hinterher.
Heutzutage wird – je nach Witterung – bereits mehr als die Hälfte des Strombedarfs aus Erneuerbaren gedeckt. Gleichzeitig ist der Bedarf größer denn je, da fossile beziehungsweise konventionelle Energiequellen nicht mehr im selben Umfang wie in der Vergangenheit genutzt werden können: In Deutschland ist der (politisch durchaus ambivalent diskutierte) Atomausstieg seit April dieses Jahres endgültig vollzogen. Als nächstes steht der Kohleausstieg auf der energiepolitischen Agenda, während die Verfügbarkeit von Erdgas – lange Zeit als Brückentechnologie auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien Stromerzeugung verstanden – durch den Angriff Russlands auf die Ukraine und dessen Implikationen für die Versorgungssicherheit nicht mehr so uneingeschränkt wie früher ist.
Somit hat der Ukrainekrieg die Notwendigkeit in Deutschland und Europa nochmals erhöht, den Ausbau der Erneuerbaren (wieder) stärker in den Fokus zu rücken. Hinzu kommt die absehbare Verschärfung der Klimakrise. Deutschland beispielsweise will bis 2030 den Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent steigern, um seinen Anteil zum Erreichen des 1,5-Grad-Klimaziels beizutragen. Dazu soll und muss auch weiterhin privates Kapital mobilisiert und in diese Assetklasse gelenkt werden, was die Regierungen mit Förderprogrammen, Steuervorteilen sowie beschleunigten Planungsverfahren unterstützen.
Aus Investorensicht überzeugen Investitionen in Erneuerbare durch potenziell attraktive Rendite-Risiko-Profile und stabile regelmäßige Cashflows trotz volatiler Strompreise dank staatlicher Vergütungssysteme wie Einspeisevergütungen, vermehrt aber auch dank langfristiger Stromabnahmeverträge (PPAs) mit Großverbrauchern. Langfristige Wartungs- und Finanzierungsverträge sorgen für Prognostizierbarkeit auf der Kostenseite. Viele Erzeugungstechnologien sind erprobt und weitgehend ausgereift, insbesondere Photovoltaik funktioniert praktisch wartungsfrei. Dank technologischer Reife, Skaleneffekten, Digitalisierung und sinkender Gestehungskosten besteht immer häufiger Netzparität, wodurch staatliche Förderung immer häufiger überflüssig wird. Dass Investoren hierbei einen Beitrag zur Energiewende und zu einer nachhaltigeren Stromversorgung leisten können, ist für viele ein weiteres willkommenes Argument.
Während sich die reinen Erzeugungskapazitäten überwiegend bereits in einem technologisch recht weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium befinden, ist bei der ebenfalls erforderlichen begleitenden Infrastruktur – vor allem für den intelligenten Stromtransport (Smart Grids) und bei den Speichertechnologien – noch viel Entwicklungs- und Innovationsarbeit zu leisten. Ohne diese Strominfrastruktur kann mit den wenigsten erneuerbaren Erzeugungsarten Grundlastfähigkeit hergestellt werden aufgrund der Abhängigkeit der Erzeugungsprofile von den Witterungsverhältnissen. Selbst breite Diversifizierung bietet keine Garantie stabiler Netze. Die Energiewende bliebe unvollendet.
Die Stromnachfrage steigt. Allein der forcierte Ausbau der Elektromobilität schafft eine zusätzliche Nachfrage, die im bisherigen Ausbautempo kaum gedeckt werden dürfte. Vor allem Photovoltaik wird in Europa in den kommenden Jahren der große Wachstumstreiber sein. Die Europäische Kommission verfolgt das Ziel, die Erzeugungskapazitäten von 209 Gigawatt bis 2030 auf 750 Gigawatt auszubauen.1 Deshalb wird auch in Zukunft der Ausbau- und damit der Kapitalbedarf extrem hoch bleiben – und der Bedarf an Fachkräften: Die International Labour Organization schätzt, dass sich die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Erneuerbaren weltweit bis 2030 auf 38 Millionen verdreifachen werde.2
Lösungen sind nicht nur im Bereich des Transports und der Speicherung erforderlich, sondern auch, um Konflikte bei der Landnutzung zu verringern. Denn in entwickelten Märkten wie Deutschland gehört der Mangel an attraktiven Zubauflächen inzwischen zu den größten Herausforderungen. Hierbei können innovative Ansätze wie Agri-Photovoltaik, also die Vereinbarkeit von Photovoltaik- mit landwirtschaftlicher Nutzung, sowie Floating-Photovoltaik auf Seen und dem Meer neues Flächenpotenzial mobilisieren. Bei der Onshore-Windenergie besteht großes Zubaupotenzial im Repowering, also dem Ersetzen bestehender Anlagen durch leistungsfähigere neue Anlagen. Noch schwer abzusehen ist indes, ob grüner Wasserstoff in Zukunft die Bedeutung für die Energiewende erlangen wird, die viele Beobachter ihm zuschreiben. Wir beobachten diese Entwicklung aufmerksam.
Für Investoren sind erneuerbare Energien eine Assetklasse, die in Deutschland, Europa und weit darüber hinaus auch in Zukunft gewaltiges Investitionspotenzial offenbaren wird. Eine breite Diversifizierung über Länder und Regionen sowie Erzeugungsarten hinweg sollte nunmehr verstärkt in den Fokus geraten, wobei das beinhalten kann, in Zukunft auch Transport- und Speicherkapazitäten zu berücksichtigen.
Aktuell stellen steigende Zinsen sowie wieder steigende Kosten für Bau und Betrieb eine Herausforderung dar, die jedoch den langfristigen Trend sinkender Gestehungskosten und somit steigender Renditepotenziale nicht nachhaltig durchbrechen werden. Institutionelle Investoren reagieren derzeit auf diese Gemengelage, indem sie immer früher in die Wertschöpfungskette einsteigen, etwa durch eine immer frühere Sicherung von Projektrechten. Um die damit verbundenen Risiken im Griff zu behalten, ist jedoch eine sehr sorgsame Auswahl der Projektpartner und Betreiber erforderlich.
Dieser Beitrag basiert auf einem Diskussionsbeitrag von Kerstin Struckmann, Head of Product and Mandate Management bei Commerz Real, im Rahmen des Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfels (IAIG) mit Barbara Bertolini in Wien am 31. Mai 2023. Auf demselben Event hielt Barkha Mehmedagic, Global Head of Institutional Sales and Group Treasury bei der Commerz Real, die Laudatio für Judith Kerschbaumer, Leiterin Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und Referentin Alterssicherungspolitik bei der Gewerkschaft ver.di, anlässlich ihrer Auszeichnung für die „Zukunftssicherung in der Altersvorsorge Deutschland 2023“.
„Erneuerbare-Technologien wie Onshore-Windenergie oder Photovoltaik sind weitgehend ausgereift. Diese Erzeugungsarten sind im Grundsatz rentabel, trotz der aktuellen Herausforderungen aufgrund gestiegener Baukosten. Dennoch sind in Zukunft weiterhin Innovationen notwendig, zum Beispiel in Speichertechnologien. Bei der Commerz Real beobachten wir diese Entwicklungen genau und steigen ein, sobald sich ein Ansatz als marktgängig erweist – wie etwa bei der Agri-Photovoltaik.“ – Kerstin Struckmann, Head of Product and Mandate Management, Commerz Real