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26.05.2020 | Insight

Die Renaissance des Kaufhauses heißt Retrofitting

So schwer es im Moment fällt, es sich vorzustellen: Es wird eine Zeit nach Covid-19 geben, in der das Alltagsleben zwar vielleicht nicht komplett der Zeit vor der Krise gleicht, sich aber doch zumindest wieder normalisiert. Die Menschen werden wieder die Fußgängerzonen stürmen, in Eiscafés und Pizzerien sitzen und Schaufensterbummel abhalten. Bis dahin gilt: Die Krise nutzen, um längst überfällige Veränderungen voranzutreiben. Der Lockdown hat die Digitalisierung landesweit beschleunigt, das gilt nicht nur für Schulen und Universitäten, sondern könnte – und sollte – auch für den Einzelhandel im Allgemeinen beziehungsweise das Konzept des Kaufhauses im Besonderen gelten.

Während viele klassische Einzelhändler ihre Läden zum 20. April wieder öffnen dürfen, muss sich die Traditionsmarke Kaufhaus aufgrund ihrer Flächengröße noch gedulden – doch dann könnte ihr eine Renaissance bevorstehen. Zweifellos war das klassische Warenhaus schon vor der Ausbreitung des Coronavirus angeschlagen, denn die Konkurrenzsituation, vor allem durch den flexiblen, einfachen Online-Handel, macht den Traditionshäusern bereits seit Jahren schwer zu schaffen. Nicht umsonst haben 2018 sogar die beiden letzten verbliebenen großen Kaufhausketten Deutschlands, Kaufhof und Karstadt, den Gang vor den Fusionsaltar angetreten. Machten 1974 Warenhäuser noch 10,4 Prozent des Gesamtumsatzes des Einzelhandels in Deutschland aus, war es 2019 der E-Commerce, dessen Anteil bei 10,8 Prozent lag. Warenhäuser hatten also Mitte der 70er Jahre eine vergleichbare Bedeutung wie der gesamte Online-Handel heute. Zwischen 2000 und 2018 hat sich ihr Umsatzanteil dann noch einmal fast halbiert.

Warenhäuser hatten also Mitte der 70er Jahre eine vergleichbare Bedeutung wie der gesamte Online-Handel heute. Zwischen 2000 und 2018 hat sich ihr Umsatzanteil dann noch einmal fast halbiert.


Henning Koch, Vorstandsmitglied

Da die Warenhaus-Umsätze in allen Kategorien rückläufig sind, ist klar, dass nicht das Sortiment das Problem ist, sondern der Vertriebskanal. Umfragen haben ergeben: Online-Kunden schätzen am Internethandel vor allem die hohe Flexibilität und erhöhte Kundenorientierung – nachvollziehbarerweise, denn in den Weiten des Internets ist das Angebot nun einmal deutlich größer als in den Regalen des örtlichen Kaufhauses, die Öffnungszeiten sind mit 24/7 nicht zu schlagen und nebenher kann man bequem auf der Couch sitzen und einen Snack einnehmen. Wie kann nun vor diesem Hintergrund eine erfolgreiche Renaissance des Kaufhauses aussehen – oder mit anderen Worten: Wie können Kaufhäuser den Online-Boom nicht nur auffangen, sondern sogar für sich nutzen?

Vom Warenhaus zum Marktplatz der Zukunft

Zwei Varianten, die sich aus den Konsumtrends der Gegenwart ergeben, erscheinen am erfolgversprechendsten: Die erste Variante ist die Weiterentwicklung des Kaufhauses zum „Marktplatz der Zukunft“. Mit der Vergabe von Konzessionsflächen an Online-Händler könnte das bislang als eher konservativ wahrgenommene Warenhaus den Sprung zur „hippen“ Online-Offline-Schnittstelle schaffen. Denn: Retro ist in – indem man aus der Not eine Tugend macht, könnte es gelingen, den kaufhauseigenen Retro-Charme als Marke zu etablieren, kombiniert mit der praktischen Erreichbarkeit der Online-Angebote vor Ort.

Die jeweiligen Online-Händler könnten als Pop-ups in der Filiale ein ganz neues Vermarktungskonzept aufbauen und ihr ohnehin wachsendes Online-Geschäft mit den zweifelsohne vorhandenen Vorteilen des stationären Handels verbinden. Dabei geht es weniger um ein innerstädtisches Fachmarktzentrum als vielmehr um ein Einkaufserlebnis, das zum einen mit einem Mehr an Angebot gegenüber anderen Geschäften aufwartet. Zum anderen können Produkte im Store bestellt und in der Folge nach Hause geliefert, oder alternativ online bestellte Waren vor Ort anprobiert und abgeholt werden – Stichwort Click & Collect.

Und die Digitalisierung macht noch viel mehr möglich: Digitale Spiegel in der Umkleidekabine ermöglichen dem Kunden, das favorisierte Kleidungsstück mit Empfehlungen aus dem Netz zu ergänzen und das Ergebnis gegebenenfalls direkt über den Service des Verkaufspersonals umzusetzen. Darüber hinaus könnten via Tablets und andere neuartige Medien spezielle Produktinformationen zusätzlich verfügbar gemacht werden.

Als zweite Variante kann das Warenhaus zum innerstädtischen Logistik-Hub ausgebaut werden. Die berühmte „letzte Meile“ im Online-Handel gilt als gewaltiger Kostentreiber für die Versandhäuser und könnte insbesondere vor dem Hintergrund des „Same-Day-Delivery-Trends“ auf diese Art abgemildert werden. Aufgrund der enormen Deckenhöhen und hoher Bodenbelastbarkeit eignen sich Kaufhausimmobilien in der Regel gut für die alternative Nutzung als Logistikhalle. Umgekehrt könnten Kunden, die ihr Paket im Kaufhaus abholen, dies mit einem allgemeinen Bummel durch das Kaufhaus verbinden, den Ausflug zum hauseigenen Café inbegriffen. Das könnte neben der klassischen Kundengruppe, die Kaufhäuser bereits aus der Zeit vor dem Online-Boom kennt, auch jüngere Menschen anlocken.

Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Standort braucht heutzutage noch ein Warenhaus, egal in welcher Konzeption – wenn aber, dann sollte es sich um eine intelligente Kombination aus beiden Welten handeln, um Kunden aller Altersklassen abzuholen.


Henning Koch, Vorstandsmitglied

Schluss mit Zukunftsmusik

Die für diesen Wandel notwendige Umgestaltung des Einzelhandels wird durch die Coronakrise definitiv eine Beschleunigung erhalten. In der aktuellen Ausnahmesituation sind Einzelhändler umso mehr gezwungen, mit Blick auf den Handel der Zukunft anstehende Investitionen zeitnah zu tätigen. Und wann, wenn nicht jetzt, da der Kaufrausch in den Kaufhäusern durch den Corona-bedingten Shutdown ohnehin gelähmt ist, wäre der richtige Zeitpunkt für den Beginn dieser nächsten Konsumrevolution?

Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden: Es geht nicht darum, in jeder Stadt ein KaDeWe oder Harrods zu etablieren. Bei beiden handelt es sich um absolute Luxuskaufhäuser, die gar nicht überall einen Markt hätten. Vielmehr bedarf es eines individuell an den jeweiligen Standort angepassten Konzepts. Grundsätzlich gilt: Nicht jeder Standort braucht heutzutage noch ein Warenhaus, egal in welcher Konzeption – wenn aber, dann sollte es sich um eine intelligente Kombination aus beiden Welten handeln, um Kunden aller Altersklassen abzuholen. Denn: So wie das kombinierte Konzept aus Online und Offline jüngeren Kunden den Klassiker stationäres Kaufhaus schmackhaft machen kann, so sehr können auch die langjährigen Kaufhaus-Fans auf diese Weise an das Online-Geschäft herangeführt werden. Spätestens die Coronakrise dürfte in den vergangenen Wochen auch älteren Menschen gezeigt haben, dass das Einkaufen via Internet kein Hexenwerk ist.

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