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05.08.2020 | Insight

Die Post-Corona-Welt klopft an die Bürotüren

Jens Böhnlein, Global Head of Asset Management, Commerz Real AG

Dr. Stefan Rief, Direktor, Fraunhofer-Institut Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

Der Einstieg in die Lockdown-Phase im März war radikal, schlagartig und unverzüglich. Plötzlich mussten möglichst alle Bürobeschäftigten zu Hause bleiben und auf virtuelle Formen der Zusammenarbeit umsatteln, statt den gewohnten Weg ins Büro anzutreten. Die Rückkehr ins Büro verläuft hingegen langsam und schrittweise. Doch wird am Ende des Prozesses und nach Überwindung der Pandemie die Büroarbeitswelt wieder dieselbe sein wie zuvor? Wohl nicht zu hundert Prozent. Denn nach den kollektiven Erfahrungen von Home- oder Mobile-Office dürfte manche Veränderung bleiben.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch viel zu früh, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und ihrer Folgen auf die zukünftige Büroarbeitswelt in ihrer Gesamtheit sicher vorhersagen oder gar mit Zahlen belegen zu können. Dennoch zeichnen sich einige Szenarien bereits ab und können durchaus in die Zukunft weitergedacht werden. Mit einer Veränderung der Arbeitswelten dürften sich auch die Anforderungen an Büroflächen und das damit verbundene Asset-Management verändern.

Die Fahrt ins Büro wird von der täglichen Routine zu einer bewussten, immer wieder neu getroffenen Entscheidung.


Die Fahrt ins Büro wird von der täglichen Routine zu einer bewussten, immer wieder neu getroffenen Entscheidung. Ein flexibles Home- oder Mobile-Office hat sich selbst unter vormals skeptischen Arbeitgebern wie Arbeitnehmern in der Krise etabliert. Gleichzeitig sind auch die Vorteile des klassischen Büros viel stärker zutage getreten. Dennoch ist zu erwarten, dass die Nutzung von Home- und Mobile-Office gegenüber dem Vorkrisenniveau dauerhaft ansteigen wird. In einer aktuellen Befragung von 2.300 Personen zeichnet sich eine Verdoppelung der Nutzungsraten ab, es kann aber auch noch deutlich mehr werden.

Infolge der sinkenden Anwesenheit und der differenzierteren Nutzungsbedarfe wird es immer weniger fest zugeordnete Arbeitsplätze geben. Strenge räumliche Zuordnungen von Abteilungen zu einzelnen Gebäudeteilen oder Etagen können sich teilweise auflösen, wenn das Team ohnehin selten zeitgleich vor Ort ist. Stattdessen könnten hybride Räume entstehen, die für eine zeitlich begrenzte physische Zusammenarbeit genutzt werden, beispielsweise für die Dauer eines konkreten Projekts. Solche Anlässe dürften in einer fernen Zukunft ein wesentlicher Grund sein, überhaupt ins Büro zu kommen.

Mit dieser Entwicklung würde die für die gesamte Belegschaft eines Unternehmens notwendige Bürofläche sinken. Gleichzeitig würde der Flächenbedarf pro anwesendem Mitarbeiter steigen, wenn flexible Flächenkontingente vorgehalten werden müssen und zudem – auch als Folge der Pandemie – strengere Abstands- und Hygienevorschriften gelten. Welcher dieser beiden Effekte letztlich überwiegt, wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Für die gesamte Büroflächennachfrage werden jedoch andere Faktoren eine sehr viel größere Rolle spielen, allen voran die weitere konjunkturelle Entwicklung.

Die Flächenanforderungen dürften in Zukunft je nach konkreter Tätigkeit noch stärker ausdifferenziert sein, seien es ruhige Rückzugsräume für konzentriertes und fokussiertes Arbeiten, hybride Besprechungs- und Konferenzräume, offene Strukturen zum kreativen Arbeiten und Nachdenken oder belebte Gemeinschaftsflächen, die spontane Begegnungen und Gespräche fördern. „Inspirational Offices“ in Form von Coworking-Spaces oder Serviced-Offices fördern zufällige Begegnungen und spontane Büroerlebnisse, die sich im Homeoffice nicht abbilden lassen.

„Inspirational Offices“ in Form von Coworking-Spaces oder Serviced-Offices fördern zufällige Begegnungen und spontane Büroerlebnisse, die sich im Homeoffice nicht abbilden lassen.


Anstelle von Großraumbüros mit Schreibtischinseln könnten deshalb auch wieder geschlossene, zellulare Bürostrukturen vermehrt auftreten, die dann den jeweiligen konkreten Anforderungen für Individuen und Gruppen entsprechend konfiguriert werden. Begleitet werden diese Flächentypen von attraktiven Gastronomie- und Dienstleistungsangeboten, die im Gebäude oder in unmittelbarer Nachbarschaft entstehen und dazu beitragen, dass sich die Menschen bewusst und gerne für den Weg ins Büro entscheiden.

Mit der steigenden Flexibilität werden die Anforderungen an Asset- und Property-Management größer. Smarte und kognitive Arbeitsplätze und -räume, die eine optimale Unterstützung des Individuums, seiner Leistungsfähigkeit und seines Wohlbefindens ermöglichen, erfordern ein entsprechendes Management. Ein Beispiel ist ein digitales Buchungssystem, um die Auslastung der flexiblen Arbeitsplatz- und Raumangebote effizient und wirtschaftlich zu steuern.

Konsequent weitergedacht, müsste eine nachhaltige Veränderung der Büroarbeitswelten auch mit Veränderungen der Lebenswelten einhergehen. Wenn die Menschen beispielsweise nicht mehr täglich, sondern nur noch anlassbezogen ins Büro pendeln, wird eine räumliche Nähe zwischen Wohn- und Arbeitsort weniger wichtig. Damit könnte in Zukunft der ländliche Raum als Wohnraum wieder an Bedeutung gewinnen – auch außerhalb der Speckgürtel der großen Städte. Zudem dürfte es mehr sogenannte digitale Nomaden geben, also Menschen, die völlig ortsunabhängig arbeiten. Davon könnten dann besonders attraktive Städte oder Ferienregionen mit hoher Lebensqualität profitieren.

Bei all diese Gedankenspielen sollte der Faktor Mensch nicht außer Acht gelassen werden, denn das Büro erfüllt noch eine weitere wichtige Aufgabe: Es hilft dabei, den Alltag zu strukturieren, Routinen zu entwickeln, das Synthetische zu „vermenschlichen“. Es ermöglicht uns, uns in zwei Welten aufzuhalten. Es schafft eine Barriere zwischen Arbeit und Zuhause und damit die Möglichkeit, das Private zu schützen.

Und so sind auch manche dieser Szenarien und Entwicklungen keineswegs neu: Es hat sie bereits vor der COVID-19-Pandemie gegeben. Doch Corona wirkt in diesen Fällen als Beschleuniger: Manche Entwicklung, die sich über Dekaden erstreckt hätte, kann sich jetzt binnen weniger Monate vollziehen. Die „Post-Corona-Bürowelt“ wäre wohl auch so gekommen – aber womöglich erst zehn oder 20 Jahre später.

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